In unseren Nachbarländern hat Facebook den «Spende»-Knopf schon länger eingeführt. In der Schweiz wartet man dagegen scheinbar vergebens darauf, dass dieses Peer-to-Peer-Fundraisingtool ankommt. Und sollte es dennoch passieren, stellt sich uns die Frage: Wollen wir das denn auch?
Das Prinzip ist ziemlich einfach: Personen, die auf Facebook unterwegs sind, können «entweder für sich selbst, eine andere Person oder ein Anliegen, das ihnen am Herzen liegt» (Originalton Facebook), eine Spendenaktion erstellen. Das Gute daran: Es geht relativ einfach und mit wenigen Hürden. Laut «Q&A» erhebt der blaue Riese nicht mal Gebühren für Spenden an gemeinnützige Organisationen – er übernimmt sie. Bei persönlichen Spendenaktionen wird die Gebührenhand dann für die Zahlungsabwicklung aufgemacht. Je nach Ländervorschriften stellt Facebook gar direkt eine Spendenbescheinigung für die Steuererklärung aus. So weit, so gut.
Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten, auf Facebook eine Spende zu tätigen: Entweder über den Spenden-Button auf einer Organisationsseite oder mittels Spendenaktion, die man selbst startet. Aber: Die beiden Varianten scheinen zusammen zu hängen. Denn offenbar können bei Spendenaktionen nur Organisationen berücksichtigt werden, die auch einen «Spende-Button» auf ihrer Seite vorweisen können.
Gemäss Fundraising-Experte Michael Urselmann kam es in Deutschland offenbar schon kurz nach Einführung der Spendenaktion-Möglichkeit zu beachtlichen Fundraising-Erfolgen. Gerade die sogenannten «Birthday Fundraiser» seien hier Teil des Erfolgsrezepts gewesen. Das sind jene Nutzerinnen und Nutzer, die anlässlich eines Geburtstags eine Spendenaktion starten. Und genau hier kommt Facebooks Vorteil ins Spiel: Das soziale Netzwerk kennt den Geburtstag jedes einzelnen Users resp. jeder einzelnen Userin (eigene «Falschangaben» mal ausgenommen) und ermutigt diese wenige Wochen davor, eine Spendenaktion zugunsten einer Organisation zu starten: Bei mehr als 25 Millionen Nutzerinnen und Nutzern in Deutschland (und ca. 3.6 Millionen in der Schweiz) ein enormer Multiplikator für das Peer-to-Peer-Fundraising einer Organisation. Immerhin wurden insgesamt seit Einführung dieser Spendenmöglichkeit weltweit schon über zwei Milliarden Dollar, die Hälfte davon nur durch «Birthday Fundraisers» (!), gespendet (vgl. Beitrag im Facebook Newsroom).
NPO aus der Schweiz benachteiligt
Wie viele andere Fundraiser auch, findet es Urselmann ärgerlich, dass Schweizer NPO dieses Potenzial bisher nicht nutzen können – im Gegensatz zu Schweizer Facebook-NutzerInnen, die eine Aktion starten oder einer Organisation spenden können, sofern diese im Ausland sind. Das heisst, ich kann als SchweizerIn zwar Geld für den guten Zweck (oder auch mich selbst) sammeln, aber nicht für eine Organisation aus der Schweiz.
Die Versuche von Swissfundraising und einigen NPO, Facebook zu fragen, wann denn dieses Feature in der Schweiz verfügbar sei, waren bisher erfolglos. So muss im Moment offen bleiben, ob die Vorschriften bei uns ein Hindernis sind, oder ob der Markt bei uns allenfalls punkto «Datensammlung» für Facebook zu wenig interessant ist.
Wollen wir Facebook denn eigentlich als «Zwischenhändler»?
Die Frage ist durchaus berechtigt, denn ganz so uneigennützig wird Facebook seine Position als «Vertriebskanal» wohl kaum nutzen. Diese Problematik ist auch in Ländern, in denen das Tool bereits genutzt werden kann, ein grosses Thema. So zum Beispiel auch in Österreich, wo vor allem die grossen NPO wie Caritas, MSF oder SOS-Kinderdorf die Spendenfunktion umgesetzt haben. Dr. Günther Lutschinger, Geschäftsführer des Fundraising Verbands Austria (FVA), ist ein bekannter Kritiker: «Ich bin kein Freund von Spenden via Facebook und ähnlichen Kanälen. Warum? Sie stehen zwischen den SpenderInnen und uns und saugen die Daten ab. Und wenn Facebook keine Lust mehr hat (oder dich ausschliesst), bist du weg vom Fenster.»
Viele werden Lutschingers Bedenken teilen. Eine solche Abhängigkeit wirft auch einige Fragen auf: Wollen wir das Potenzial dieses Kanals auf Kosten der Daten der Spenderinnen und Spender nutzen, wenn wir denn auch können? Die NutzerInnen sind sich aber ja vermutlich auch bewusst, dass jede ihrer Online-Bewegungen mitverfolgt wird. Haben wir dann dieses Problem überhaupt noch? Was bedeutet eine solche Abhängigkeit von Facebook? Können wir darauf verzichten?
Erst wenn die Funktion bei uns definitiv eingeführt wird werden wir sehen, wie erfolgreich das Konzept in der Schweiz sein wird. Mitmachen werden vermutlich viele, da sich viele Leute so erreichen lassen. Wichtig scheint aber: Die Diskussion um das Sammeln der Daten sollte dabei nicht verstummen. Wir müssen so viel Transparenz wie möglich schaffen.
Was Schweizer NPO dazu sagen
Viele gemeinnützige Organisationen aus der Schweiz haben heute einen «Mehr dazu»-Button an der Stelle platziert, wo sonst der «Spende»-Knopf stünde. Bei einem Grossteil führt der hinterlegte Link dann direkt zum eigenen Spendenformular – bestenfalls mit einer Auswahlmöglichkeit von Projekten, an die gespendet werden kann. Wir haben bei einigen zufällig ausgewählten Organisationen nachgefragt, was sie vom Status quo und einem möglichen «Spende»-Button halten.
Helvetas Swiss Intercooperation
«Wir sind grundsätzlich schon sehr an der Facebook4Fundraising-Umgebung interessiert, auch wenn es verschiedene Stimmen gibt aus den Organisationen in anderen Ländern, die es schon verwenden. Einige finden es revolutionär, andere sind enttäuscht. Wahrscheinlich ist es so, wie bei vielem anderem: Nicht die Infrastruktur bestimmt den Erfolg, sondern die Bewerbung und die Umsetzung.»
Gabriella Brändli Ortiz
Caritas Schweiz
«Wir sind realistisch und erwarten keinen enormen Spendenanstieg über Facebook, sollte dieser in der Schweiz jemals eingeführt werden. Der grosse Nachteil für uns als Organisation ist, dass man die Daten der SpenderInnen von Facebook nicht erhält. Somit können wir keine weitere Beziehung mit ihnen aufbauen.»
Christoph Keiser
Stiftung Kinderdorf Pestalozzi
«Natürlich braucht es den Spendenbutton und vor allem das ganze Spenden/Fundraisingtool von Facebook auch in der Schweiz. Erfahrungswerte aus anderen Ländern zeigen, dass gerade über Spendenaktionen von Privatpersonen teils grosse Gesamtbeträge gesammelt werden können. Es gibt unserer Meinung nach keinen Grund, weswegen dieses Tool nicht eingesetzt werden soll; die potenziellen Spenderinnen und Spender sind sowieso auf Facebook.»
Rebecca Rutz